Die am schnellsten wachsende Altersgruppe in Deutschland ist der Personenkreis der über Hundertjährigen. Das zeigen die Forschungsergebnisse, die das Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Berliner Charité jetzt vorgestellt hat.
Noch vor wenigen Jahrzehnten waren hundertjährige Methusalems eine Ausnahme, die man als medizinisches Wunder bestaunte. In Zeitungen und Talkshows wurden sie nach ihrem Geheimrezept für ein langes Leben befragt, ohne selbst so recht zu wissen, was der Grund für ihr hohes Alter sein mochte. Die einen schworen auf Rotwein, die anderen auf Obstessig, wieder andere auf den Humor. Inzwischen leben in Deutschland etwa 20 000 Menschen im Alter von 100+. In der Forschung werden sie als „Langlebige“ bezeichnet. Die Experten gehen davon aus, dass sich die Zahl in nur vierzig Jahren bereits verdreifacht haben wird. Und in siebzig Jahren werden den Berechnungen zufolge sogar 120 000 Senioren die magische Grenze von hundert Jahren überschritten haben.
Hundertjährige sind seltener krank
An dem Projekt „Hundertjährigenforschung“ nahm sogar eine Person teil, die 110 Jahre alt wurde. Die Studienergebnisse zeigen, dass die über Hundertjährigen weniger krank sind als andere hochbetagte Menschen, die als Achtzigjährige verstarben. Menschen im Alter von 100+ leiden seltener an Herzerkrankungen oder an Bluthochdruck. Allerdings ist der menschliche Bewegungsapparat nicht auf Langlebigkeit programmiert. Je älter der Mensch, umso mehr machen ihm seine Gelenke zu schaffen. Auch die Sinnesleistungen wie Hören und Sehen lassen immer mehr nach. Und vor allem steigt mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken.
Natürlich geht es den Forschern nicht nur darum, trockene Daten zu sammeln. Sie interessiert unter anderem die Frage, wie das Altern erträglicher gestaltet werden kann. Auch die Politik ist lebhaft an der sich rapide verändernden Lebenserwartung interessiert. Sie muss die Rahmenbedingungen für eine altersgerechte Gesellschaft schaffen. Schließlich wollen auch hochaltrige Menschen so lange wie möglich selbstbestimmt leben. Die Zeit drängt. Denn zu den Hochaltrigen der kommenden Jahrzehnte gehören die Babyboomer. In Deutschland betrifft dies etwa 13 Millionen Menschen. Sie erblickten in den geburtenstarken Jahrgängen von 1955 bis 1965 das Licht der Welt.
Die Chancen auf ein langes Leben steigen weiter. In diesem Zusammenhang weisen die ForscherInnen auf eine weitere Besonderheit am Rande hin – nämlich auf die Parallelität des Alterns. Viele der über Hundertjährigen werden Kinder haben, die selbst im fortgeschrittenen Seniorenalter sind. Diesen Zustand gab es in größerem Ausmaß noch nie. Und auch darauf wird sich die Politik einstellen müssen. Denn achtzigjährige Kinder, die ihre hundertjährigen Eltern pflegen, sind wohl kaum denkbar.