Was ist Palliativpflege?
Palliativ versorgt werden Patienten, deren Erkrankung schwer und nicht mehr heilbar ist. Deshalb ist diese Art der Pflege medizinisch gesehen auch nicht darauf ausgerichtet, die Ursache zu behandeln, sondern sie zielt auf die Linderung von Symptomen ab. Palliativpflege ist deshalb interdisziplinär. Denn neben der reinen medizinischen Versorgung durch speziell ausgebildete Pflegefachkräfte und Ärzte kommen in der Regel auch weitere Dienste zum Einsatz, beispielsweise Physiotherapeuten, normale Pflegedienste oder der Hospizdienst. Insgesamt geht es darum, dem Gepflegten seine verbleibende Zeit so angenehm wie möglich zu machen. Wichtig zu wissen ist, dass das Wort „palliativ“ nicht automatisch mit dem unmittelbar bevorstehenden Tod gleichzusetzen ist. Eine palliative Pflege kann zwar mitunter nur für die allerletzten wenigen Lebenstage notwendig werden, manchmal aber auch noch Monate andauern. Palliativpflege wird sowohl im häuslichen Umfeld erbracht wie auch auf Palliativstationen in Kliniken, in stationären Hospizen oder Pflegeeinrichtungen.
Das Wort „palliativ“ hat seinen Ursprung im Lateinischen und bezieht sich auf „pallium“, was so viel heißt wie „Mantel“. Die palliative Versorgung soll den Pflegebedürftigen also „ummanteln“, um ihn zu schützen und zu wärmen – nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Ziel ist, die Lebensqualität und Selbstbestimmung schwerstkranker Menschen bis zum Tode so gut wie möglich zu unterstützen.
Wer hat ein Recht auf Palliativpflege?
Im häuslichen Umfeld wird Palliativpflege durch den Hausarzt verordnet oder nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zunächst für eine Übergangszeit durch die dortigen Ärzte. Die Palliativversorgung im eigenen Zuhause durch sogenannte SAPV-Teams ist eine Ergänzung zur Versorgung durch einen normalen Pflegedienst. SAPV steht für „Spezialisierte Ambulante Palliative Versorgung“. Der GkV-Spitzenverband definiert sehr detailliert, nach welchen Kriterien über die Notwendigkeit von palliativer Versorgung entschieden und diese entsprechend von der Krankenkasse bezahlt wird. Die Leistungen der Kasse sind per Definition geknüpft „an das Vorliegen einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen, die Lebenserwartung begrenzenden Erkrankung (…)“. Gängige Beispiele sind etwa metastasierender Krebs, ALS oder Multiple Sklerose. Egal, um welche Grunderkrankung es sich handelt: Damit die palliative Versorgung von der Kasse als notwendig anerkannt wird, muss „eine besonders aufwändige Versorgung“ als notwendig erachtet werden, damit der schwerstkranke Mensch ein menschenwürdiges Leben bis zum Tod führen kann.
Wann ist palliative Versorgung geboten?
Viele schwerstkranke Menschen werden zuhause von Angehörigen gepflegt. Wenn eine Krankheit ohne Aussicht auf Heilung und Verbesserung des Zustandes stetig fortschreitet und bestimmte pflegerische Maßnahmen unumgänglich und die Gesamtsituation für die Angehörigen sowohl fachlich wie auch seelisch kaum mehr tragbar ist, dann sollten Sie sich Unterstützung durch spezialisierte Fachkräfte verordnen lassen. Oft werden im häuslichen Umfeld die Angehörigen mithilfe eines normalen Pflegedienstes versorgt. Ein solcher Pflegedienst hat unter Umständen auch Fachkräfte mit Fortbildungen im Bereich der palliativen Pflege in seinem Team. Jedoch stoßen auch diese spezialisierten Fachkräfte durch die Rahmenbedingungen bei einem normalen Pflegedienst im Alltag allein schon wegen der Anzahl der notwendigen Einsätze und einer eventuell notwendigen Rufbereitschaft bei schwerstkranken Menschen mit zunehmend anderen Bedürfnissen irgendwann an die Grenzen des Machbaren.
Hinzu kommt, dass bei hohem pflegerischem Aufwand spezielles Fachwissen nötig ist, welches nicht jede Pflegefachkraft mitbringt. Die palliative Versorgung erfordert tiefergehendes Wissen um die Bedürfnisse von unheilbar Kranken und deren Angehörigen. Die Mindestvoraussetzung, um in einem SAPV-Team zu arbeiten sind für Pflegefachkräfte eine Weiterbildung im Bereich Palliativ-Care sowie ein Jahr Palliativpflege. Ärzte müssen die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin führen und eine bestimmte Anzahl an Patienten palliativmedizinisch behandelt haben.
Wenn bereits ein normaler Pflegedienst im häuslichen Umfeld involviert ist, bleibt in der Regel die pflegerische Grundversorgung durch diesen Pflegedienst weiter bestehen. Die palliative Versorgung durch ein SAPV-Team findet dann nicht stattdessen, sondern zusätzlich statt.
Komplexe Betreuung rund um die Uhr
Bei manchen Krankheitsbildern oder nach Krankenhausaufenthalten kann es dazu kommen, dass eine sehr komplexe Betreuung durch Fachpersonal quasi rund um die Uhr wichtig ist. Das kann geboten sein beispielsweise bei einer schwerwiegenden Schmerzsymptomatik sowie bei anderen gravierenden Einschränkungen wie andauernder Luftnot oder epileptischen Anfällen. Hier muss mitunter auch nachts die pflegerische Versorgung gewährleistet sein. Auch wiederkehrendes Erbrechen und damit einhergehende Schwierigkeiten bezüglich der Wirkung von Medikamenten in Kombination mit anderen aufwändigen pflegerischen Notwendigkeiten gelten als Indikator für eine palliative Versorgung durch speziell ausgebildete Fachkräfte. Hinzu kommt, dass die Situation für pflegende Angehörige in der Regel immer schwerer zu überblicken ist, sowohl medizinisch und pflegerisch, organisatorisch sowie auch emotional. Deshalb gehört zur palliativen Versorgung auch die Koordination der notwendigen Maßnahmen und Unterstützungsangebote, und zwar interdisziplinär.
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Wer erbringt palliative Versorgung?
Weil unterschiedliche Disziplinen in der palliativen Versorgung miteinander verschmelzen, kann nicht pauschal beantwortet werden, wer konkret palliativ versorgt. Es hängt individuell davon ab, wie viel Unterstützung bei der Pflege, der Organisation oder der seelischen Entlastung der Angehörigen nötig ist. Der medizinische Bereich sowie die Organisation wird im häuslichen Umfeld durch das SAPV-Team abgedeckt, und zwar sowohl der palliativ-ärztliche Bereich sowie der palliativ-pflegerische Bereich.
Sterbe- und Trauerbegleitung übernimmt Hospizdienst
Sterbe- und Trauerbegleitung in spiritueller Hinsicht gehören per Definition der Krankenversicherung nicht zu den direkten Aufgaben der SAPV-Teams. Allerdings ist eine enge Kooperation mit den lokalen Hospizangeboten vor Ort üblich. Im stationären Bereich auf Palliativstationen oder im Hospiz ergänzen die jeweiligen Disziplinen einander ebenfalls. Ehrenamtliche Hospizdienstmitarbeiter haben in der Regel eine sehr umfangreiche Schulung erfahren und gelernt, mit dem nötigen Respekt und der richtigen Mischung aus Nähe und Distanz diesen intimen und sensiblen häuslichen Situationen zu begegnen. Im Vorfeld informieren sich die Mitarbeiter so genau wie möglich über die palliativ betreute Person, um ihr angemessen beistehen zu können.
Oft verspüren Sterbende den Wunsch, sich mit jemandem zu versöhnen, etwas Ungesagtes zum Ausdruck zu bringen oder seinen Glauben nochmals zu bekräftigen. Dafür sind Hospizdienstmitarbeiter auch auf kulturelle Unterschiede, sodass nicht etwa ein Moslem plötzlich mit dem Rosenkranz oder ein Atheist zwingend mit dem konfrontiert wird. Der Fokus der Hospizdienstmitarbeiter liegt stets auf dem Sterbenden und dessen emotionalen Bedürfnissen. Mitunter ermöglichen sie auch den Angehörigen, die eine nicht mehr ansprechbare schwerkranke Person betreuen, eine Auszeit durch nächtliche Wachen am Bett des Sterbenden. Auch tröstende Worte für die Angehörigen gehören dazu – jedoch darf der Hospizdienst keine medizinischen Fragen mit den Angehörigen diskutieren.
Durch die Komplexität der Bedürfnisse im jeweiligen Einzelfall kann es durchaus vorkommen, dass unter der organisatorischen Leitung eines SAPV-Teams sowohl Hospizmitarbeiter wie auch bereits etablierte andere Dienstleister, etwa die Nachbarschaftshelferin oder die Gemeindeschwester, eventuell auch Physiotherapeuten oder andere unterstützende Angebote in den pflegerischen Alltag eingebunden werden beziehungsweise bleiben.
Welche Aufgaben übernimmt ein SAPV-Team?
Da die Grundpflege weiterhin von Angehörigen oder einem normalen Pflegedienst übernommen wird, ist das Team der SAPV für andere Dinge zuständig. Erreichbar sind die SAPV-Teams in der Regel sieben Tage die Woche rund um die Uhr, um auch in akuten Krisensituationen direkt zu intervenieren. Es geht bei der palliativen Versorgung vorrangig um:
- Schmerztherapie
- Erleichterung der Atmung
- aufwändige Versorgung chronischer Wunden
- Symptomkontrolle
- Dokumentation
- Koordination: Schnittstelle zwischen den Beteiligten Ärzten, sozialen Diensten und Angehörigen
- Anleitung und Aufklärung der Angehörigen über zu erwartende psychische und physische Veränderungen des Gepflegten
Für pflegende Angehörige ist die Betreuung durch ein SAPV-Team nicht nur wegen der medizinischen Versorgung und der Organisation sehr hilfreich. Gerade das intensive Gespräch mit den Fachkräften über zu erwartende Veränderungen des Zustandes des Pflegebedürftigen ist im häuslichen Umfeld sehr wichtig. Denn wer völlig unvorbereitet erlebt, wie der Körper eines geliebten Menschen immer schwächer wird oder nicht weiß, wie bestimmte Anzeichen zu deuten sind, der ist schnell emotional überfordert. Speziell bei fortschreitender Demenz des Pflegebedürftigen brauchen Angehörige Beratung durch geschultes Fachpersonal. Denn wenn beispielsweise ein dementiell veränderter Patient unentwegt schreit oder jammert, kann dies schnell zu Verunsicherung und Fehleinschätzung bestimmter Situationen durch Angehörige führen. Wenn der Pflegebedürftige sich nicht mehr artikulieren kann, müssen Angehörige wissen, welche Signale der Körper aussendet – etwa bei Flüssigkeitsmangel oder Schmerzen. Durch das Wissen um die zu erwartenden Veränderungen und mögliche Anzeichen für Komplikationen können Angehörige sicherer reagieren und fühlen sich der meist sehr belastenden und schwierigen Situation weniger ausgeliefert.
Grenzen der palliativen Versorgung im häuslichen Umfeld
Obwohl die Betreuung durch ein SAPV-Team sehr viel Unterstützung bietet, kann auch diese Form der intensiven Pflege im eigenen Zuhause an ihre Grenzen stoßen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Zustand sich akut sehr verschlechtert, dadurch Schmerzen nicht mehr beherrschbar sind oder eine schwerwiegende Infektion auftritt. Dies kann einen stationären Aufenthalt nötig machen.
Wer bezahlt palliative Pflege?
Nach einer ärztlichen Verordnung übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die palliative Versorgung. Die SAPV-Leistungen können dabei auch in Abstufungen in Anspruch genommen werden, etwa lediglich als Beratung, als Organisationshilfe, als zusätzliche Teilversorgung oder als komplette Versorgung.
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