Einstufung in einen Pflegegrad
Ist Ihr Angehöriger zunehmend auf Hilfe im Alltag angewiesen, können Sie über die Einstufung in einen Pflegegrad nachdenken. Der Vorteil: Wer in einen Pflegegrad eingestuft ist hat Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung. Voraussetzung ist aber, dass Ihr Angehöriger während der vergangenen zehn Jahre mindestens zwei Jahre lang in die Pflegeversicherung eingezahlt hat. Der Anspruch kann rückwirkend, sofern dann auch eine Einstufung erfolgt, ab dem Monat geltend gemacht werden, in dem sich der Pflegebedürftige oder sein pflegender Angehöriger bei der Pflegekasse mit diesem Anliegen gemeldet hat.
Wonach richtet sich der Pflegegrad?
Der Pflegegrad drückt aus, wie sehr der Pflegebedürftige im Alltag in seiner Selbstständigkeit beeinträchtigt ist. Beurteilt wird das durch einen Gutachter des Medizinischen Diensts der Krankenversicherung (MDK). Die Einstufung ist an feste Kriterien geknüpft, die mittels eines Punktesystems bewertet und gewichtet werden.
Pflegegrad 1 wird mit „geringen Beeinträchtigungen“ definiert, Pflegegrad 5 geht von „schwersten Beeinträchtigungen“ aus. Welcher Pflegegrad einem Pflegebedürftigen zuerkannt wird, hängt von festgelegten Kriterien ab, die sowohl körperliche wie auch geistige Beeinträchtigungen in einem Punktesystem erfassen.
Welche Leistungen für welchen Pflegegrad?
Ab Pflegegrad 2 hat Ihr Angehöriger Anspruch auf Pflegesachleistungen beziehungsweise Pflegegeld in einer festgelegten Höhe. Diese beiden Leistungen können auch miteinander verrechnet werden. Für Pflegegrad 1 gibt es allerdings weder Pflegegeld noch Pflegesachleistungen.
Sonderfall Pflegegrad 1
Ist Ihr Angehöriger nur in geringem Maß auf Hilfe angewiesen und wird in Pflegegrad 1 eingestuft, dann hat er Anspruch auf:
- den Entlastungsbetrag, einsetzbar für Grundpflege und Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfe im Alltag
- nötige Pflegehilfsmittel zum Verbrauch
- einen Zuschuss für altersgerechte Gestaltung des Wohnraumes
- regelmäßige Beratung
Die Pflegegrade 2 bis 5
Wer in einen Pflegegrad zwischen 2 und 5 eingestuft wird, hat Anspruch auf Pflegegeld oder Pflegesachleitungen in festgelegter Höhe. Auch Leistungen für Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege werden gewährt. Die Leistungen sind nach bestimmten Vorgaben miteinander kombinier- und verrechenbar. Da diese Berechnung aber recht kompliziert sein kann, sollten Sie sich beraten lassen. Sowohl Pflegestützpunkte als auch die Pflegeversicherung bieten in diesem Punkt Hilfe an.
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So stellen Sie einen Antrag auf Einstufung in einen Pflegegrad
Sobald Sie einen Pflegegrad beantragen wollen, können Sie sich an folgender Vorgehensweise orientieren:
- Stellen Sie einen formlosen Antrag bei der Pflegekasse. Diese ist in der Regel bei der Krankenkasse angesiedelt. Sie können diesen Antrag telefonisch oder schriftlich per E-Mail oder Brief stellen. Ziehen Sie die schriftliche Form vor. So können Sie belegen, zu welchem Zeitpunkt Sie den Antrag gestellt haben und es geht Ihnen ein Geld verloren. Denn die Leistungen, die Ihnen bei Einstufung in einen Pflegegrad gewährt werden, werden ab dem Zeitpunkt der Antragstellung genehmigt.
- Die Pflegekasse wird Ihnen daraufhin ein Antragsformular zukommen lassen, Ihnen den für Sie zuständigen Ansprechpartner nennen und Sie auf Ihren Beratungsanspruch hinweisen.
- Ein Hausbesuch der Pflegekasse innerhalb der nächsten zwei Wochen wird angekündigt. Bei diesem Hausbesuch begutachtet ein Mitarbeiter des Medizinischen Diensts der Krankenversicherung (MDK) den Pflegebedürftigen in seinem Zuhause. Er überprüft, inwieweit dessen Selbstständigkeit in bestimmten Lebensbereichen eingeschränkt ist und stellt dem Pflegebedürftigen sowie Ihnen in Ihrer Funktion als pflegendem Angehörigen zahlreiche Fragen.
- Auf Grundlage dieses Hausbesuchs wird ein Gutachten erstellt und der Pflegebedarf ermittelt. Dann teilt die Pflegeversicherung Ihnen das Ergebnis mit.
Bereiten Sie sich gut auf den Hausbesuch vor
Weil beim Hausbesuch durch den MDK sehr viele Fragen auf Sie zukommen, sollten Sie gut vorbereitet sein. Denn im Eifer des Gefechts kann es passieren, dass Sie wichtige Informationen über Ihren Angehörigen nicht weitergeben oder Ihnen manches möglicherweise schlicht als zu selbstverständlich und deshalb als irrelevant erscheint. Investieren Sie unbedingt Zeit und etwas Mühe in die Vorbereitung.
- Machen Sie sich regelmäßig Notizen: Es hilft Ihnen und dem MDK-Gutachter sehr, wenn Sie in einer Art Tagebuch regelmäßig notieren, wobei der Pflegebedürftige am jeweiligen Tag Unterstützung gebraucht hat. Berücksichtigen Sie dabei auch vermeintliche Kleinigkeiten, die Sie selbst inzwischen als selbstverständlich ansehen, beispielsweise Hilfe beim Ankleiden, beim Öffnen von Dosen oder der Zahnpastatube.
- Halten Sie alle relevanten Unterlagen bereit: Alle schriftlichen Dokumente zur Krankengeschichte sind für den MDK relevant. Wenn Sie die Möglichkeit haben, dann fertigen Sie schon vorab Kopien von Arztberichten, Medikamentenplänen oder Entlassungsberichten von Krankenhausaufenthalten an. Sofern es Ihnen möglich ist, fertigen Sie bereits vorab Kopien an. Diese können Sie dem Gutachter dann direkt mitgeben.
- Lassen Sie sich helfen: Pflegestützpunkte können Sie bei der Vorbereitung eines MDK-Hausbesuchs unterstützen. Fragen Sie nach. Manchmal kann auch ein Mitarbeiter des Pflegestützpunktes oder eines Pflegedienstes am Tag der Begutachtung mit anwesend sein oder Tipps geben, was in Ihrem speziellen Fall besonders wichtig ist.
Der Hausbesuch des MDK-Mitarbeiters
Am Tag des Hausbesuchs sollten Sie unbedingt anwesend sein. Denn manche Menschen schämen sich, vor einem Fremden Ihre Probleme im Alltag zuzugeben. Wenn Sie Ihren Angehörigen mit dem MDK-Mitarbeiter allein lassen, dann verschweigt der Pflegebedürftige vielleicht aus Scham, dass er nicht mehr allein zur Toilette gehen oder eine Wasserflasche nicht mehr ohne Hilfe öffnen kann.
Sie möchten Ihren Angehörigen stets unterstützen und schützen. Das ist im Alltag für Sie selbstverständlich und für Ihren Angehörigen wichtig. Allerdings helfen Sie ihm möglicherweise deshalb auch während des Besuchs des MDK-Gutachters ganz automatisch bei bestimmten Tätigkeiten, oder Sie beantworten für ihn Fragen, wenn er dies selbst nicht sofort schafft. Denken Sie aber daran: Der MDK-Gutachter muss genau diese Schwächen bei ihrem Angehörigen mit eigenen Augen sehen. Nur so kann er realistisch den Pflegebedarf einschätzen, und Sie bekommen künftig auch die Unterstützung, die Sie brauchen. Nehmen Sie deshalb davon Abstand, ihrem Angehörigen aus Gewohnheit in diesem wichtigen Moment aus der Patsche zu helfen, auch wenn es schwerfällt.
Bewertungs-Kriterien für Einstufung in einen Pflegegrad
Der MDK-Mitarbeiter bewertet bei seinem Besuch sechs sogenannte Module Diese fließen mit unterschiedlicher Gewichtung in das Gesamtergebnis ein. Entscheidend ist stets die Frage: Was kann der Pflegebedürftige noch allein bewältigen?
Module zur Einstufung in einen Pflegegrad
- Mobilität
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
- Selbstversorgung
- Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
Modul 1: Mobilität
Bei der Mobilität geht es um die Frage, inwieweit der Pflegebedürftige in seiner Beweglichkeit eingeschränkt ist. Sowohl selbstständiges Gehen, Aufrichten oder Aufstehen ist hierbei relevant wie auch die motorische Fähigkeit, sich noch selbst an- oder auszukleiden.
Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
Manchmal sind es weniger die körperlichen Einschränkungen, die die Pflegebedürftigkeit ausmachen. Speziell bei fortschreitender Demenz kommen Pflegebedürftige mitunter nicht mehr allein im Alltag zurecht. Zu den Einschränkungen kann beispielsweise ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus gehören. Manchmal geht die Fähigkeit verloren, sich angemessen zu kleiden oder Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens ihrer Funktion entsprechend einzusetzen.
Modul 3: Problematische Verhaltensweisen und psychische Probleme
Im Zusammenhang mit dementiellen Veränderungen, aber auch aufgrund anderer psychischer Probleme wie Psychosen oder Phobien, kann der Pflegebedürftige problematische Verhaltensweisen entwickelt haben. Aggressives Verhalten gegenüber Angehörigen oder auch haushaltsfremden Personen wird für die Einstufung in einen Pflegegrad berücksichtigt. Solche Verhaltensweisen sind aber möglicherweise nicht zum Zeitpunkt des Hausbesuchs zu beobachten – wenn dies Beispielsweise nur beim Waschen oder Essen vorkommt. Erzählen Sie deshalb unbedingt davon, sofern Ihr Angehöriger in bestimmten Situationen aggressiv oder verstört reagiert.
Modul 4: Selbstversorgung
Bei der Selbstversorgung spielen eventuell notwendige grundpflegerische Hilfestellungen eine Rolle: Müssen Sie beim Waschen, Toilettengang oder Ankleiden behilflich sein? Isst Ihr Angehöriger selbstständig, oder muss die Nahrung für ihn kleingeschnitten werden? Kann Ihr Angehöriger sich mit ausreichend Flüssigkeit versorgen?
Modul 5: Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
Sofern Ihr Angehöriger regelmäßig bestimmte Medikamente einnehmen muss, sollte dies zuverlässig erledigt werden. Können Sie sich darauf verlassen, dass der Pflegebedürftige seine Tabletten selbstständig zum richtigen Zeitpunkt einnimmt? Wenn Sie ihn an die Medikamente erinnern oder darauf achten müssen, dass die richtige Menge eingenommen wird, dann ist auch in diesem Bereich Unterstützung erforderlich.
Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
Würde Ihr Angehöriger vereinsamen, wenn Sie nicht die Initiative ergreifen würden? Sofern der Pflegebedürftige soziale Kontakte nicht mehr pflegen kann – eventuell aufgrund von Problemen, das Telefon zu bedienen, oder weil er sich aufgrund einer Gangunsicherheit nicht mehr aus dem Haus traut, dann ist auch dies relevant für den Pflegegrad.
Widerspruch gegen die Einstufung
- Legen Sie schriftlich binnen vier Wochen Widerspruch ein
- Prüfen Sie das Gutachten genau
- Dokumentieren Sie mögliche Fehler bei der Bewertung
Gegen die Einstufung in einen bestimmten oder auch in keinen Pflegegrad können Sie beziehungsweise Ihr Angehöriger Widerspruch einlegen. Tun Sie dies binnen vier Wochen – und zwar schriftlich. Ausschlaggebend ist das Datum des Bescheids der Pflegekasse. Bevor Sie Widerspruch einlegen, sollten Sie das Gutachten genauestens studieren und auf Fehler überprüfen.
Es könnte beispielsweise sein, dass bestimmte Dokumente von Krankenhausaufenthalten oder andere Unterlagen vom Arzt nicht berücksichtigt worden sind. Machen Sie sich Notizen, wo Ihrer Meinung bei der Bewertung nachgebessert werden müsste. Um etwas Zeit zu gewinnen können Sie den Widerspruch zunächst formal einlegen. Die Details können Sie dann in Ruhe ausarbeiten – holen Sie sich im Zweifel Hilfe bei einem Pflegestützpunkt in Ihrer Nähe.
Veränderung des Pflegegrads
Ein Pflegegrad bleibt nicht für immer gleich. Wenn Sie als pflegender Angehöriger feststellen, dass der Aufwand für die Pflege sich dauerhaft erhöht, dann ist ein Antrag auf Höherstufung angezeigt. Warten Sie damit nicht zu lange. Hierfür sollten Sie sich ebenfalls über einen längeren Zeitraum Notizen machen und Veränderungen dokumentieren.
Eine Rückstufung in einen niedrigeren Pflegegrad ist zwar selten, kann aber vorkommen. Manchmal rechnen die Gutachter schon bei der ersten Einstufung damit, dass der Zustand des Pflegebedürftigen sich verbessern könnte. Dies wird vermerkt und eventuell direkt eine neuerliche Überprüfung nach einem bestimmten Zeitraum angesetzt. Um den Pflegegrad zurückzustufen muss die Pflegekasse den verminderten Pflegebedarf nachweisen.
Beratung zur Einstufung in einen Pflegegrad
Pflegestützpunkte sind in allen Fragen rund um die Antragstellung und den Widerspruch eine gute Anlaufstelle, wenn Sie Hilfe beim „Papierkram“ brauchen. Sollte Ihr Angehöriger privat versichert sein, so ist die COMPASS Pflegeberatung die für Sie richtige Anlaufstelle.
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