Hörgeräte Arten Übersicht: Welche Hörgeräte gibt es?
Kennen Sie auch die alten Gemälde, in denen Schwerhörige mit einem riesigen Trichter am Ohr dargestellt sind? Und tatsächlich: Noch vor hundert Jahren gab es keine andere Möglichkeit für Senioren mit nachlassendem Gehör, ihre Umwelt besser zu verstehen. Zum Glück können wir heute auf effizientere – und unauffälligere – Hörgeräte als das Hörrohr zurückgreifen.
Auf der anderen Seite macht dies die Sache auch deutlich komplizierter. Was zum Beispiel unterscheidet ein analoges Hörgerät von einem digitalen? Was sind die Unterschiede bei Hörgeräten, die hinter oder im Ohr getragen werden? In dieser Übersicht zeigen wir Ihnen, was analoge und die verschiedenen digitalen Hörgeräte leisten.
Analoge und digitale Hörgeräte – die Unterschiede
Zunächst einmal vorab: Sowohl die digitalen als auch die modernen analogen Hörgeräte arbeiten elektronisch und sind digital programmierbar. Deshalb spricht man bei den heutigen analogen Modellen auch von „digital programmierbaren Analog-Hörgeräten“. Der Unterschied liegt in der Verarbeitung und Übertragung der Tonsignale:
Analoge Hörgeräte der neuen Generation stellen eine Art Mittelding zwischen den alten analogen Hörhilfen und den neuen, rein digital arbeitenden Geräten dar. So sind bereits Richtmikrofone und eine automatische oder manuelle Lautstärke-Einstellungen vorhanden. Die Übertragung der Signale erfolgt jedoch stufenlos.
Bei klaren Tönen, wie etwa einem ruhigen Zweiergespräch, werden Sie kaum einen Unterschied merken. In größeren Gesprächsrunden, bei starken Hintergrundgeräuschen oder in einem Konzert kann es jedoch leicht zu Überlagerungen der Tonsignale kommen. Diese können dann als unangenehme Störgeräusche empfunden werden. Hier sind die digitalen Hörgeräte klar im Vorteil.
Digitale Hörgeräte sind in winzig kleinen, sogenannten diskreten Stufen regelbar. Die Einstellung erfolgt über Filter in vier getrennten Kompressionskanälen. Diese sind so programmiert, dass die Geräte automatisch die verschiedenen Hörsituationen erkennen. Störende Hintergrundgeräusche (Verkehr, Wind, Stimmengewirr) werden ausgeblendet, plötzlich auftretende Geräusche gedämpft und akustische Rückkoppelungen vermieden. Sprache dagegen wird verstärkt.
Außerdem können die technischen Wunderwerke bequem per Fernbedienung und dazu kinderleicht justiert werden. Trotz ihres kleinen Nachteils – die Verarbeitung der Signale ist so umfangreich, dass leichte Durchlaufverzögerungen die Folge sein können – haben sich die digitalen Hörgeräte europaweit durchgesetzt. Ein Grund ist sicherlich auch, dass sie preislich in derselben Liga wie die analogen Modelle spielen.
Im Prinzip gibt es zwei Gruppen von Hörsystemen: Die einen sitzen innerhalb, die anderen außerhalb des Ohrs. Wir haben uns an diese Unterteilung gehalten, erläutern hier die Varianten und ergänzen diese um einige ausgefallene Ideen. Am Ende des Beitrags finden Sie eine Tabelle, in der alle gängigen Modelle gegenübergestellt sind.
Hörgeräte hinter dem Ohr (HdO)
Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte, kurz HdO, sind die gängigsten Hörhilfen der heutigen Zeit. Etwa 90 Prozent der Hörgeschädigten entscheiden sich für dieses Hilfsmittel. Die Bauformen sind sehr unterschiedlich, haben jedoch eines gemeinsam: Das Hörgerät befindet sich am äußeren Ohr und ist daher nicht unsichtbar. Doch nichts erinnert mehr an die gewollt hautfarbenen, klobigen Geräte der 2000er-Jahre.
Die Ohrpassstücke moderner Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (HdO) werden für unterschiedliche Ohrgrößen und -formen sowie in verschiedenen Farben gefertigt. So verschwinden einige beinahe vollständig hinter der Ohrmuschel. Je nach Bauweise werden zwei Varianten von HdO-Hörgeräten mit Ohrpassstück (Otoplastik) unterschieden:
Schlauch-Hörsysteme, bei denen der Lautsprecher im Hörgerät sitzt und ein kleiner Schlauch den Schall in den Gehörgang leitet. Folgerichtig wird dieser als Schallschlauch bezeichnet. Der größte Vorteil: Es ist viel Platz für die Elektronik, den Schallwandler und die Batterie vorhanden – und damit auch für einen leistungsstarken Verstärker.
Ex-Hörer-Systeme, bei denen der Lautsprecher außerhalb des Hörgeräts (daher das „Ex“ im Namen), stattdessen direkt im Gehörgang des Trägers sitzt. Ein kleines Kabel verbindet beide Komponenten. Das hat zwei Vorteile: Zum einen muss der Schall keinen Weg über den Schlauch nehmen und ist daher weniger verzerrt. Zum anderen kann das Hörgerät kleiner sein, weil kein Platz für den Lautsprecher benötigt wird.
Beide Varianten können bei leichten, mittleren und starken Schwerhörigkeiten (Hörverlust 20 bis 80 Prozent), manche Schlauch-Hörsysteme sogar bei einem nahezu kompletten Hörverlust (bis 95 Prozent) eingesetzt werden.
Hörgeräte im Ohr (IdO)
In-dem-Ohr-Hörgeräte (IdO) liegen im Trend. Ihre Bauweise ist so klein, dass sowohl Gerät als auch Lautsprecher im Gehörgang liegen können. Ihr größter Vorteil ist die Unauffälligkeit, ihr größter Nachteil das Gefühl des Fremdkörpers im Ohr – bis hin zu einem unerwünschten Verschlusseffekt. IdO-Hörgeräte begünstigen die Bildung von Ohrenschmalz, weshalb sie öfter gereinigt und/oder repariert werden müssen. Im Unterschied zu Hinter-dem-Ohr-Hörgeräten (HdO) stoßen viele IdO-Geräte zudem bei stärkerem Hörverlust (über 60 Prozent) an ihre Grenzen. Außerdem macht sich die Miniaturisierung der Technik in einem höheren Preis bemerkbar.
Dennoch gibt es Gründe, sich für ein IdO-Gerät zu entscheiden. Entsprechend der Bauweise unterscheiden die Akustiker vier Unterarten von Im-Ohr-Hörsystemen. In der medizinischen Fachsprache sind die englischen Abkürzungen geläufig.
ITE – In-The-Ear – In dem Ohr: Der Klassiker füllt die Ohrmuschel komplett aus. Damit das Hörgerät nicht zu sehr auffällt, kann das Gehäuse dem individuellen Hautton angepasst und sogar mit feinen, wie Äderchen aussehenden Linien versehen werden. Dennoch bleibt diese Variante deutlich sichtbar.
ITC – In-The-Canal – In dem Gehörgang: Das auch unter der Bezeichnung RIC bekannte Hörsystems ist deutlich kleiner. Die Ohrmuschel bleibt frei, weil das Gehäuse mit der Vorderkante des Gehörgangs abschließt. Dennoch gibt es eine Frontplatte. Sie wird jedoch individuell eingepasst, damit das Gerät in den meisten Positionen nicht auffällt.
CIC – Completely-In-the-Canal –Vollständig in dem Gehörgang: Gehörgangsgeräte sind extrem klein. Sie enden im äußeren Teil des Gehörganges und sind daher fast nicht zu sehen. An einem Nylonzugfaden kann man CIC-Hörgeräte leicht aus dem Gehörgang ziehen – beispielsweise, um sie zu reinigen oder die Batterie auszutauschen. Das Einsetzen empfinden manche Menschen jedoch als etwas schwierig.
IIC – Invisible-In-the-Canal – Unsichtbar in dem Gehörgang: Die Hörgeräte in der derzeit kleinsten Bauform werden tief in den Gehörgang eingeführt und sitzen dann kurz vor der zweiten Krümmung des Ohrkanals. Hier ist die Batterie so winzig, dass sie häufig gewechselt werden muss. Dafür sind solche Geräte selbst bei genauem Hinsehen absolut unsichtbar. Auch sie werden an einem Nylonfaden herausgezogen.
Exoten unter den Hörgeräten
Die Wissenschaftler und Hersteller sind sehr findig, wenn es ums Verstecken der Hörgeräte geht. Hier stellen wir Ihnen einige der ausgefallenen Hörhilfen vor.
Hörbrille mit Luftleitung: Bei der herkömmlichen Hörbrille ist die Technik entweder in den Brillenbügel eingearbeitet oder das Hörgerät ist am Bügel montiert. Das Batteriefach sitzt außen am Bügel-Ende. Der Schall wird über einen dünnen Schlauch ins Ohr geleitet.
Hörbrille mit Knochenleitung: Diese Art der Hörbrille ist interessant, wenn der Gehörgang zu Entzündungen neigt oder bereits chronisch entzündet ist. Sie sieht ähnlich aus wie eine Hörbrille mit Luftleitung, überträgt den Schall aber über den Knochen hinter dem Ohr ins Mittelohr.
Hörschmuck: Die Idee, ein Hörgerät in einem Ohrclip zu verstecken, ist nicht neu. Früher ließen diese Modelle allerdings sehr zu wünschen übrig. Heutige Hörclips sind leichter, sehr dekorativ und bieten eine bessere Klangqualität. Das Hörgerät sitzt im Ohrschmuck, ein Schallschlauch leitet die Töne ins Ohr. Geeignet bei leichter bis mittlerer Hörminderung.
Hörimplantat: Das sogenannte BAHA-Hörsystem arbeitet mit der mechanischen Schallübertragung über den Schädelknochen. Die Abkürzung bedeutet Bone Anchored Hearing Aid, knochenverankerte Hörhilfe. Zunächst implantiert der HNO-Arzt eine Titanschraube im Schädelknochen, dann wird das eigentliche Hörgerät an dieser Schraube befestigt. Kosten: 10.000 bis 30.000 €.
Die Besonderheiten der Hörgeräte
Hier finden Sie eine Übersicht der gängigen Hörgeräte:
Name | Art | geeignet bis Hörstufe* | Haupt-Stärke | Haupt-Schwäche |
---|---|---|---|---|
Schlauch-Hörsystem | HdO | TSH (95%) | viel Platz für leistungsfähige Verstärker | gut sichtbar |
Ex-Hörer-System | HdO | HSH (80%) | keine Verzerrung durch Resonanzen im Schlauch | sichtbar |
ITE | IdO | HSH (80%) | diskret | Begünstigung von Schweiß- und Ohrenschmalzbildung und damit höhere Reparaturanfälligkeit |
ITC | IdO | MSH (60%) | diskret | |
CIC & IIC | IdO | MSH (60%) | (fast) unsichtbar | |
Hörbrille | HdO | MSH (60%) | kaum spürbar, da nicht am bzw. im Ohr | kein Hörgerät, wenn die Brille abgesetzt wird |
*Zu den Hörstufen informiert der entsprechende Beitrag.
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